Sind Anwaltskosten bei Steuerprozess außerordentliche Belastung?
Anwaltskosten bei Steuerprozessen dürfen als außergewöhnliche Belastung bei Vorliegen einer Existenzgefährdung steuerlich geltend gemacht werden
Urteil des Bundesfinanzhofs (Az. VI R 17/14)
Viele Steuerpflichtige sind diesem Problem schon einmal begegnet: Die jährliche Einkommensteuererklärung wird gewissenhaft angefertigt, trotzdem gibt es Differenzen mit dem Finanzamt bzw. dieses will einzelne steuerliche Details nicht gemäß den Ausführungen des Steuerpflichtigen anerkennen. Teilweise können solche Differenzen einfach durch Rücksprache mit dem Finanzamt gelöst werden, zum Teil entstehen daraus aber auch handfeste gerichtliche Auseinandersetzungen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eigentlich die Anwaltskosten, welche durch einen Gerichtsprozess im Rahmen von Steuerangelegenheiten entstehen, steuerlich zu handhaben sind. Darf der Steuerpflichtige diese Kosten als außergewöhnliche Belastungen in seiner Jahres Steuererklärung geltend machen? Oder ist dies generell nicht möglich, bzw. darf nur unter speziellen Auflagen und Bedingungen gemacht werden? Und hängt die Genehmigung zur steuerlichen Geltendmachung von Anwaltskosten vielleicht sogar damit zusammen, welche Erfolgschancen dem Steuerpflichtigen im Prozess zugesprochen werden?
Viele Fragen, die sich hierbei stellen. Der Bundesfinanzhof sprach nun ein Urteil, das interessant für jeden Steuerpflichtigen sein dürfte.
Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:
Eine Steuerpflichtige hatte im Jahr 2010 einen Gerichtsprozess angestrengt, in dem es um die Klärung der Frage ging, ob sie als Alleinerbin ihrer verstorbenen Mutter eingesetzt wird. Im Zusammenhang mit diesem Gerichtsprozess waren Anwaltskosten in Höhe von knapp 3.500 Euro entstanden, welche die Steuerpflichtige in ihrer Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Das zuständige Finanzamt wollte jedoch diese Anwaltskosten nicht entsprechend berücksichtigen, woraufhin die Steuerpflichtige Klage erhob. Der Fall wurde zunächst vor dem Finanzgericht Düsseldorf verhandelt, das die Klage abwies und somit die Vorgehensweise des Finanzamtes für richtig erklärte. Damit wollte sich wiederum die Klägerin nicht zufriedengeben, sie reichte daher Revision ein.
In der Folge wurde der Fall vor dem Bundesfinanzhof erneut verhandelt. Hier wies das Gericht darauf hin, dass gemäß des § 33 Einkommensteuergesetz die Einkommensteuer grundsätzlich auf Antrag ermäßigt werden kann. Voraussetzungen dafür sei allerdings, dass dem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen entstehen, als es bei der überwiegenden Mehrzahl aller Steuerzahler der Fall ist. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass jeweils vergleichbare Einkommensverhältnisse, Familienverhältnisse und Vermögensverhältnisse herrschen müssen.
Über die hier beschriebene Zwangsläufigkeit hatte der Bundesgerichtshof jedoch bereits im Jahr 2011 geurteilt. Dabei wurde festgestellt, dass eine Zwangsläufigkeit nur dann vorliegt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die damalige Begründung: Da streitige Ansprüche aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchgesetzt bzw. abgewehrt werden können, sind die Parteien auf gerichtliche Hilfe angewiesen. So entstehen Zivilprozesskosten – unabhängig vom Gegenstand des Prozesses – aus rechtlichen Gründen zwangsläufig.
Mit dem nun gesprochenen Urteil änderte der Bundesfinanzhof die diesbezügliche Rechtsprechung. Die neue Begründung: Ein Steuerpflichtiger könne sich, nachdem er einen Prozess verloren habe, der Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Allerdings genüge dieser Umstand allein nicht dazu anzunehmen, dass hier eine Zwangsläufigkeit vorliegt. Es komme insbesondere auf die wesentliche Ursache an, welche zu den aufgelaufenen Kosten geführt habe. Somit sein Kosten für einen Zivilprozess nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn das den Prozess verursachende Ereignis ebenfalls für den Steuerpflichtigen zwangsläufig gewesen sei. Bei einem Zivilprozess fehle es daran allerdings, da der Steuerpflichtige nicht zur Durchführung eines solchen Prozesses verpflichtet wäre. Auch das staatliche Gewaltmonopol ändere an dieser Tatsache nichts.
Allerdings gebe es in diesem Zusammenhang eine Ausnahme: Sofern der Steuerpflichtige ohne die Durchführung des entsprechenden Prozesses in die Gefahr gerate, seine Existenzgrundlage bzw. die lebensnotwendigen Bedürfnisse in einem üblichen Rahmen zu verlieren bzw. Letztere nicht mehr befriedigen zu können, so liege die angesprochene Zwangsläufigkeit ausnahmsweise vor. Grund dafür sei, dass der Steuerpflichtige hier in eine Zwangslage gerate, in der eine Verfolgung seiner rechtlichen Interessen existenziell erforderlich sei, unter Umständen auch trotz unsicherer Erfolgsaussichten.
Zurück zum bereits dargelegten Sachverhalt im hier angesprochenen Fall: Da die Steuerpflichtige im Zuge des Gerichtsverfahrens keine Gefährdung ihrer Existenzgrundlage dem Gericht gegenüber plausibel darlegen konnte, sofern sie das Erbe nicht angetreten hatte, entschied auch der Bundesfinanzhof gegen die Klägerin. Sie könne die Anwaltskosten nicht als außergewöhnliche Belastung in ihrer Steuererklärung geltend machen.
Meinungen zum Urteil: Im Grunde genommen hat der Bundesfinanzhof mit dem hier gesprochenen Urteil für Klarheit gesorgt. Ob Laie oder Experte – kaum jemand konnte in der Vergangenheit das im Jahr 2011 gesprochene Urteil über den steuerlichen Abzug von Verfahrens- bzw. Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nachvollziehen. Mit der geänderten Rechtsprechung klärt sich dieser Umstand auf. Fortan weiß der Steuerpflichtige: Er kann die Anwaltskosten für Gerichtsprozesse, die im Zusammenhang mit steuerlichen Angelegenheiten durchgeführt werden, nur dann als außergewöhnliche Belastungen in seiner Steuererklärung geltend machen, wenn die Durchführung des Gerichtsprozesses direkt seine Existenzgrundlage beeinflusst bzw. diese ohne die Durchführung des Prozesses gefährdet wäre. Entsprechende Nachweise müssen erbracht werden können, andernfalls ist der Abzug nicht rechtens.