Rückforderung von 70.000 Euro Witwenrente nach Eheschließung in Las Vegas

Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (Az. S 21 R 7242/14)

Der Sinn und Zweck einer Witwenrente dürfte jedem klar sein: Eine Frau, die ihren Ehemann verliert, ist unter Umständen in ihrer gesamten Existenz gefährdet und kann diese nicht in der bestehenden Form erhalten. Dies gilt im Besonderen, wenn kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen vorhanden war bzw. ist und der Verstorbene ganz oder zumindest teilweise für den Unterhalt der Hinterbliebenen gesorgt hat.

Zum Glück gibt es dafür Hilfen wie die Witwenrente. Je nach Voraussetzung wird eine kleine oder große Witwenrente ausbezahlt. Dies gilt jedoch nur solange, wie der Hinterbliebene nicht wieder heiratet. Nach einer Wiederheirat des Überlebenden fällt die Witwenrente also weg. Sie lebt erst dann nach § 46 SGB wieder auf, wenn die neue Verbindung geschieden wird oder der neue Partner verstirbt.

Insofern sind die Bedingungen für die Auszahlung der Witwenrente klar: Wer einen neuen Lebenspartner hat und diesen heiratet, hat keinen Anspruch mehr auf die Rente. Doch wie verhält es sich, wenn eine Ehe im Ausland geschlossen wird, die in Deutschland nicht anerkannt ist?

Eine schwierige Frage, mit der sich kürzlich das Sozialgericht Stuttgart zu beschäftigen hatte. Hier der genaue Sachverhalt, welcher der Gerichtsverhandlung zugrunde lag:
Die Klägerin bezog nach dem Tod ihres Mannes seit mehreren Jahren eine Witwenrente. Als sie mit ihrem neuen Lebenspartner einen Urlaub in Las Vegas verbrachte, entschloss sie sich spontan dazu, eine Eheschließung zu vollziehen. Diese fand in einer der bekannten Hochzeitskathedralen (Wedding Chapels) in Las Vegas statt.

Fast zehn Jahre später erfuhr durch einen Zufall die Deutsche Rentenversicherung von der Eheschließung – mit verheerenden Folgen: Zum einen hob die Rentenversicherung die Auszahlungen der Witwenrente für die Zukunft auf, zum anderen forderte sie die seit der Hochzeit bereits gezahlten Rentenbeträge in Höhe von mehr als 70.000 Euro zurück. Damit sah sich die Witwe nicht einverstanden und erhob Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart.

In der Gerichtsverhandlung führte die Klägerin aus, dass es sich bei der in Las Vegas vollzogenen Hochzeit um keine solche gehandelt habe, die in Deutschland nach dem Gesetz als reguläre Trauung anerkannt ist. Somit sei nach deutschem Recht keine Ehe geschlossen worden, demnach könne die Deutsche Rentenversicherung auch den Anspruch auf Zahlung der Witwenrente nicht versagen. Die Richter am Sozialgericht Stuttgart gaben der Klage teilweise statt. Die Begründung: Nach § 48 SGB sei die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft nicht zu beanstanden, da die in Las Vegas geschlossene Ehe entgegen der Meinung der Klägerin eine Wiederheirat im Sinne des SGB darstelle und somit zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führe. Allerdings sei das Rückzahlungsverlangen der Rentenversicherung i. H. v. über 70.000 Euro nicht statthaft, da die Klägerin im Verlauf der Verhandlung nicht den Eindruck gemacht habe, ihre Mitteilungspflichten gegenüber der Rentenversicherung nach § 48 StGB grob vernachlässigt zu haben.

In diesem Zusammenhang könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin grob fahrlässig nicht wusste oder wusste, dass durch die in Las Vegas geschlossene „Ehe“ ihr Anspruch auf die Auszahlung der Witwenrente in Deutschland zum Erliegen kommt. Daher könne ihr nicht auferlegt werden, die in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren gezahlten Rentenbeträge an den Versicherungsträger zurückzuerstatten.

Viele Experten hätten das hier gesprochene Urteil anders erwartet. Schließlich stellte das Gericht fest, dass die in Las Vegas getätigte Hochzeit gemäß den Bedingungen für die Auszahlung der Rentenversicherung in Deutschland durchaus als Eheschließung gewertet werden kann, auch wenn dies umstritten ist. Kein Wunder also, dass das Gericht der Rentenversicherung insoweit recht gehabt, dass zukünftig an die Klägerin keine Versicherungsleistungen mehr ausgezahlt werden müssen. Dass in diesem Zuge die durch die Versicherung begehrte Rückzahlung der bereits erhaltenen Rentenbeiträge durch das Gericht abgelehnt wurde, hätten viele allerdings nicht erwartet. Hier stellt sich das Gericht auf die Seite der Witwe und nimmt dieser glaubhaft ab, dass sie nicht um die Auswirkungen auf ihren Rentenanspruch durch die Hochzeit in Las Vegas wusste. Glück für die Dame, denn dadurch spart sie mehr als 70.000 Euro an Kosten ein.


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